Jeder, der schonmal tiefe Trauer erlebt hat, weiß, wie schnell die Trauer einen mit sich reißen kann. Es kann sich so anfühlen, als ob man auf dem offenen Meer treibt, ohne festen Grund unter den Füßen. Und dann kommen diese riesigen Wellen, die über dir zusammenschlagen, dich nach unten drücken und dir die Luft zum Atmen nehmen. Es fühlt sich an manchen Tagen so an, als würdest du ertrinken.
Auch ein Medium trauert
Ich kenne dieses Gefühl zu gut. Am 10. Juni ist mein Bruder voraus gegangen. Auch all das Wissen um die geistige Welt kann mir die Trauer nicht ersparen. Denn letzten Endes ist auch ein Medium ein Mensch mit tiefen Gefühlen. Und diese wollen gelebt werden.
Glücklicherweise hatte ich die Möglichkeit, ihn einige Tage vor seinem Übergang nochmal zu sehen und mich zu verabschieden. Ich kann mich an viele Momente im Krankenhaus zu gut erinnern. Einige davon haben sich mir eingebrannt. Zum Beispiel wie ich mit meiner Mama im Café der Klinik saß und zu ihr sagte „Ich weiß nicht, wie ich mich verabschieden soll.“ Ich sagte das mit Tränen in den Augen und auch jetzt beim Schreiben zeigen diese sich wieder.
„How do I say Goodbye?“
Wie sagt man Lebewohl zu jemandem, wenn man weiß, dass man ihn nie wieder sehen wird? Ich wusste es nicht. Ich habe auch zu meinen Omas schon Lebewohl gesagt, doch da war es anders. Sie hatten ihr Leben gelebt. Letzten Endes sagte ich nicht „Lebewohl“ zu ihm. Auch nicht „Auf Wiedersehen“. Ich sagte nur „Ich liebe dich“. Es war das einzig Richtige für mich.
Vieles, was er in der Zeit als ich bei ihm war zu mir sagte, hat sich mir eingebrannt. Und das ist normal. Das geht vielen Trauernden so. So mancher Blick, manche Bilder sind für immer in mir gespeichert.
Trauer braucht Zeit
Ja, man findet einen Weg, mit dem Verlust umzugehen. An den meisten Tagen komme ich gut zurecht. Doch da gibt es immer wieder Mal Momente, in denen mir bestimmte Dinge bewusst werden. Wenige Tage nach seinem Übergang war ich einkaufen. Plötzlich wurde mir klar, dass mein Bruder nie wieder einkaufen gehen wird. Als dieser Gedanke in mir aufstieg, kamen die Tränen und ich musste mich an einem Regal festhalten, um nicht zusammenzubrechen. Es sind Momente wie dieser, in denen uns eine Trauerwelle erwischt. Nun ist es das erste Mal, dass ich ihn nicht anrufe an seinem Geburtstag. Denn den feiert er nun im Jenseits. Ich hätte ihn lieber mit ihm gemeinsam hier im Irdischen gefeiert. Auch das ist ein Tag, an dem mich eine solche Welle erwischt hat. Und das wird sie wohl auch an Weihnachten, an meinem Geburtstag und an den Geburtstagen meiner Eltern. Denn jedes Mal wird mir – uns – bewusst werden, dass er nicht mehr dabei sein kann, dass er nicht anrufen wird….
So geht es den meisten Trauernden.
Zeichen geben Kraft
Um auf positive und schöne Momente in der Trauer zu sprechen zu kommen: auch diese gibt es. Am Tag seines Übergangs bekam ich gleich zwei Zeichen von ihm. Zugegeben, das zweite vermutlich nur, weil ich beim ersten noch zweifelte, ob es wirklich von ihm war. Auch das Eintauchen in schöne gemeinsame Erinnerungen ist wohltuend und schön. Ich schaue viel mehr auf solche Erinnerungen, als auf die letzten Tage von ihm. Denn ich weiß, dass das Erinnern an das Schöne im Miteinander bei der Bewältigung der Trauer hilft – solange man den Satz weglässt „das können wir nie wieder gemeinsam tun“. Dieser Satz, dieser Gedanke, holt nämlich direkt die nächste Trauerwelle herbei, die dann über einem zusammenschlagen und einem die Luft zum Atmen nehmen kann.
Was mir in meiner Trauer half, waren Menschen, die angeboten haben, dass sie da sind um zuzuhören, wenn ich reden möchte, ohne sich dabei aber aufzudrängen. Lange Spaziergänge im Wald taten mir ebenso gut wie das Spielen meiner Steeldrum. Lesen, was ich eigentlich liebe, hat nicht funktioniert. Es blieb nichts hängen und ich konnte die einfachsten Sätze kaum erfassen. Es half mir, geduldig mit mir selbst zu sein; zu weinen, ohne in der Trauer zu tief zu versinken. Es half ebenso, mir zu erlauben, Mal keine Kraft zu haben und einen Tag auch Mal gar nichts auf die Reihe zu bringen. An manchen Tagen half es mir zu reden, wenn die wenigen Menschen, mit denen ich reden konnte, einfach nur da waren und zuhörten.
Trauer braucht Zeit. Und diese muss man sich selbst nehmen. Ich hatte das große Glück, dass ich viele Menschen in meinem Umfeld hatte, die genau das Richtige sagten oder taten. Und dafür bin ich diesen sehr dankbar.