Es ist gar nicht so leicht, man selbst zu sein. Nahezu jeder, mit dem ich mich bislang darüber unterhalten habe, verstellt sich Tag für Tag. Wir tun oft Dinge, weil sie von uns erwartet werden. Doch kann man nicht – bei all den Pflichten, die wir haben – dennoch einfach leben? Das Leben genießen kann man nur, wenn man auch Zeiten hat, wo man vollkommen und ganz bei sich selbst sein kann. Zugegeben, das ist manchmal nicht einfach. So gut wie jeder, mit dem ich über dieses Thema gesprochen habe, sagt das Selbe: es gibt nur ganz wenige Menschen, bei denen ich wirklich ich selbst sein kann, ohne mir Gedanken machen zu müssen, was die Leute über mich denken.

Nicht immer kann man man selbst sein

Gerade im Berufsalltag muss man sich oft verstellen, wird mir immer wieder erklärt. So kann die junge Frau, die eigentlich als Gothic lebt, an ihrem Arbeitsplatz in der Bank nicht in ihrer bevorzugten Kleidung erscheinen. Das ist verständlich, denn es würde sie vermutlich ihren Arbeitsplatz kosten. Doch sie hat sich damit arrangiert: sobald sie heim kommt, wechselt sie die Kleidung und legt „ihre Arbeitsmaske“ ab. Dann kann sie wieder ganz sie selbst sein. Sie geht in Clubs und zu Partys, scheut auch keine Fotos. Ja, auch auf diversen sozialen Netzwerken findet man Fotos von ihr, wie sie sich am wohlsten fühlt. Manch einer fragt sich jetzt vielleicht, ob das nicht kritisch werden kann, wenn ihr Chef die Fotos sieht. Die Lösung ist bei ihr recht einfach: sie hat mit ihrem Chef ein vertrauliches Gespräch geführt und ihm gesagt, dass sie selbst sehr gut zwischen Arbeit und Privatleben trennen kann. Und dass sie sich sicher ist, dass er das auch kann. Wenn sie in der Bank ist, trägt sie Kleidung, die von ihrem Arbeitgeber als angemessen erachtet wird. Und ihre Freizeit gehört ganz ihr selbst. Ihr Chef akzeptiert das: solange sie ihre Arbeit gut macht und ihr Privatleben nicht den Arbeitsalltag beeinträchtigt, hat er damit kein Problem.

Natürlich gab es auch mal Begegnungen mit Kunden, als sie privat in ihrer Lieblingskleidung unterwegs war: doch sie versteckt sich nicht. Mit einigen Kunden ist sie ins Gespräch gekommen, hat ihnen erklärt, dass sie zwischen Arbeit und Freizeit trennt und dass warum sie diese zwei so ganz verschiedenen Gesichter hat: ihre Kunden haben es verstanden und Probleme gibt es dadurch keine.

Wenn man zu sich selbst steht, ist es meist auch für Außenstehende kein Problem

Ja, das könnte auch ganz anders laufen. Es könnte Gerede und Gerüchte geben. Doch ich denke, dass es vor allem dann Getuschel und Vermutungen gäbe, wenn sie nicht offen zu dieser Seite von sich selbst stehen würde. Weil sie dazu steht, dass sie so lebt, geht sie offen damit um. Sie bindet es nicht jedem auf die Nase, aber wenn es in der Freizeit zu Begegnungen mit Kunden kommt, geht sie offen auf diese zu und steht zu sich selbst! Genau deshalb funktioniert es bei ihr so gut. Mit dem Wechsel zwischen Arbeit und Alltag – und dem damit einhergehenden Kleiderwechsel – kommt sie sehr gut zurecht. Und sie sagt „Innerlich bin ich auch auf Arbeit eine Gothic, auch wenn man es mir nicht ansieht. Auf Arbeit passe ich mich an, denn auch ich muss leben und mir macht diese Arbeit auch Spaß. Aber ich lebe jetzt. Und was ich im Inneren bin, möchte ich nicht verleugnen.“

Wenn wir uns selbst voll und ganz akzeptieren, werden uns auch andere voll und ganz akzeptieren!

Damit wir einfach leben können, einfach wir selbst sein können, müssen wir erstmal lernen, uns selbst zu akzeptieren. Und genau das können viele Menschen schon gar nicht mehr. Zu oft denkt man darüber nach, was andere denken könnten; wie sie reagieren, wenn…. Warum ist es uns wichtiger, wie andere uns sehen? Sollen andere glücklich damit sein, wie wir sind, oder ist unsere eigene Zufriedenheit wichtiger? Es wird Zeit, sich bewusst zu machen, wer man ist. Sich selbst zu finden, kann ein langer Weg sein. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass es nichts Schöneres gibt, als zu entdecken, wer man wirklich ist und dazu zu stehen. Das ist Teil eines oft langen Entwicklungsprozesses. Und gleichzeitig vielleicht einer der schwierigsten Entwicklungsprozesse.

Der Weg zu sich selbst ist manchmal der schwierigste

Die Frage

„Wer bin ich?“

ist wohl eine der zentralsten Fragen für viele Menschen.

Sehr oft ist die Antwort darauf nicht einfach. Jeder von uns hat viele Facetten. Die eigenen Facetten alle zu entdecken, kann sehr lange dauern. Denn es setzt voraus, dass wir uns eingehend mit uns selbst beschäftigen. Mit unseren Stärken und Schwächen, unseren Sehnsüchten, Wünschen, Neigungen und Abneigungen. Mit unseren Ängsten und Fehlern.

Stopp! Ich sagte Fehler.

Eine Kundin sagte mal zu mir: „Jeder Mensch hat seine Fehler.“

Ich entgegnete darauf „Niemand hat Fehler. Aber wir alle haben noch Bereiche, in denen wir Entwicklungspotential haben.“

Akzeptanz fängt bei sich selbst an

Wir sollten damit aufhören, bei uns ständig nach Fehlern zu suchen. Oder, was vielleicht noch wichtiger ist: wir sollten aufhören, bei anderen nach Fehlern zu suchen. Denn dann können wir mehr auf uns selbst schauen und uns weiter entwickeln. Genau genommen ist das bereits ein extrem wichtiger Schritt in der eigenen Entwicklung und Entfaltung: nicht mehr so viel auf andere zu schauen, sondern auf uns selbst. So viele Menschen vermeiden diesen Prozess. Denn wenn wir uns ehrlich und aufrichtig mit uns selbst beschäftigen, uns selbst anfangen zu entdecken, kann das manchmal sehr anstrengend und auch schmerzhaft sein. Schmerzhaft, weil wir vielleicht Seiten an uns entdecken, die nicht konform mit dem sind, wie „die Gesellschaft“ uns haben möchte. Ich habe die Gesellschaft bewusst in Anführungszeichen gesetzt. Denn wir sind Teil der Gesellschaft. Und oft geben wir uns so, wie wir glauben, dass man uns haben möchte.

Wie wäre es aber, wirklich einfach man selbst zu sein? Sich selbst zu entfalten, das ist ein wahnsinng befreiendes Gefühl. Denkt bitte an eine Raupe. Sie ist vielen Gefahren ausgesetzt, Tag für Tag. Bis der Moment kommt, an dem sie sich verpuppt; sich in einen Kokon einspinnt, den Rückzug wählt. Diese Zeit des Rückzuges ist auch eine Zeit der Besinnung. In dieser Zeit findet die Raupe zu ihrem wahren ich. Sie verändert sich. Zu dem Zeitpunkt, an dem die Veränderung, diese wunderbare und anstrengende Wandlung abgeschlossen ist, entfaltet sie ihre Flügel und damit ihr wahres ich. Ein neues Wesen ist entstanden. Es öffnet die Flügel, fliegt leicht und nahezu schwerelos durch die Luft und zaubert vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht.

Von der Raupe zum Schmetterling – die Natur als Vorbild

Unser Leben kann verglichen werden mit dem der Raupe. Wer sich mit sich selbst beschäftigt, sich die Zeit für sich nimmt, um zu sich selbst zu finden, der kann sich entfalten. Oft sind das die Menschen, die eine wundervolle Ausstrahlung haben, die einfach von innen heraus glühen und strahlen. In Gesprächen mit diesen Menschen stellt man oft fest, dass diese Menschen sehr einfühlsam sind. Und auch, dass sie zu sich stehen, ohne dabei arrogant zu sein. Sie berühren unser Herz, scheinen in die Tiefen unserer Seele schauen zu können.

Es sind diese Menschen, die uns dabei helfen können, diesen Entwicklungsschritt gehen zu wollen. Denn sie sind ihn selbst gegangen und werden uns ermutigen, das gleiche zu tun. Sie erzählen uns, wie schwer es war, ihre Schattenseiten als Teil von sich selbst zu akzeptieren. Und dabei zu verstehen, dass es nur deshalb Schattenseiten sind, weil es die Facetten von uns sind, die wir nicht mögen. Weil es Bereiche unseres eigenen Lebens sind, die wir einfach nicht akzeptieren wollen. Bereiche, die wir verleugnen, weil es nicht in unser Bild dessen passt, wie wir glauben, dass wir sein sollten.

Sie können uns helfen, uns selbst zu akzeptieren und uns den Weg zeigen. Gehen müssen wir ihn aber selber! Doch wenn wir uns auf diesen Weg begeben, werden wir immer jemanden an unserer Seite haben, der uns dabei hilft. Und so finden wir zu uns selbst und lernen, einfach wir selbst zu sein. Weil dieser Weg dorthin oft so schwierig ist, schrieb ich im Titel „die Kunst, einfach man selbst zu sein“.

Frei sein heißt, man selbst sein

Wenn wir uns selbst entdeckt und akzeptiert haben, dann können wir einfach leben. Wir können unser Leben dann genießen und gehen ganz anders durch den Tag. Weil wir dann innerlich frei sind. Frei, wir selbst zu sein.

Es ist an uns, uns zu wandeln. Inspiriert voden der Wandlung der Raupe hin zu einem Schmetterling, uns selbst auch zu verändern und zu entfalten. Wir sollten unser Leben genießen, als wir selbst. Wenn wir uns selbst lieben und akzeptieren, bekommen wir diese Liebe und Akzeptanz auch von außen. Dann können wir einfach leben.

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